Interview Beatrix Weißflog

Schullandheim Gardelegen, Juli 2014. Foto: Weißflog

Gesprächspartnerin:

Beatrix Weißflog
Dipl.-Keramikerin und Plastikerin, unterrichtet seit 12/2016 Kunst an der J.-G.-Borlach-Gemeinschaftsschule Bad Dürrenberg

Projekte: 42
Schulen: 11
Stunden: 780
Teilnahmejahre: 17 (1997 – 2002, 2005 – 2015)

Interviewtermin: 20.11.2017

Wie entstand das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Schule(n)?

Mein Interesse entstand durch die Ausschreibung und wurde durch einen Anruf von Beáta Hinz, die für dieses Projekt noch interessierte Künstler suchte, bestärkt. Schon vor diesem Zeitpunkt hatte ich an der Volkshochschule oder durch andere Projekte mit Schülern mit Ton gearbeitet. Zudem habe ich Freude an der unvoreingenommenen Sicht der Kinder, die Interesse haben, gestalterisch zu arbeiten. Oft entstehen überraschende Ergebnisse.

Welchen Einfluss hatten bzw. haben die Bedingungen des Projektes „Künstlerinnen und Künstler an Schulen in Sachsen-Anhalt“ auf Ihre Entscheidung, sich um eine Teilnahme zu bewerben?

Das besonders Attraktive an diesen Projekten war, dass die Rahmenbedingungen im Vorfeld festgelegt waren. Durch die Vermittlung des BBK war der Künstler offiziell und nicht durch persönliche Bekanntschaft an der Schule eingeführt. Das befördert vielleicht auch ein größeres Verantwortungsgefühl auf beiden Seiten.Das Vertragliche wurde also neutral geregelt und ist nicht Verhandlungsgegenstand zwischen Künstler und Schule. Die finanzielle Absicherung war auf diese Weise gegeben. Das fand ich sehr erleichternd.

In welchen Belangen haben sie von der Zusammenarbeit mit Schule(n) für Ihre eigene künstlerische Arbeit profitiert?

Für die eigene künstlerische Arbeit habe ich dadurch profitiert, dass ich eine gute Vorbereitung und ein strenges Zeitmanagement brauchte. Auch war die Begeisterungsfähigkeit einiger Schüler beeindruckend, durch die es gelang, auch von mir vielleicht zu hoch gesteckte Ziele zu erreichen.

Wie hat die Zusammenarbeit mit Schule(n) Ihre künstlerische Praxis beeinflusst und verändert?

Ich denke im Vorfeld mehr über die Durchführbarkeit von Projekten nach und versuche, auch einfache Lösungen zu finden. Gerade bei der Arbeit mit Schülern sind technisch komplizierte Lösungen meist nicht durchführbar und man muss versuchen, sich andere Wege zu erarbeiten. Daher denke ich auch für meine Arbeit über mehrere Lösungsmöglichkeiten nach, um die einfachste Lösung zu finden und um Alternativen für unvorhergesehene Zwischenfälle parat zu haben.

Wie haben sich die Möglichkeiten mit der Zeit, mit wachsender Erfahrung bzw. mit zunehmender Dauer der Kooperation verschoben oder erweitert?

Durch eine bessere Einschätzung der Situation ließen sich auch größere Projekte planen. Also nicht allein, dass jeder Schüler sein einzelnes kleines Kunstwerk macht, sondern dass man sich überlegt, was man daraus für größere Vorhaben entwickeln kann. Beispielsweise, dass man viele Schüler Platten gestalten lässt und aus diesen Platten dann große Skulpturen zusammenbaut. In dieser Hinsicht habe ich schon Überraschendes erreichen können.

Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse bei der gemeinsamen Projektumsetzung?

Schwierig für die Projektumsetzung waren große Klassenstärken. Aus organisatorischen Gründen war die Teilbarkeit der Klassen oft nicht möglich. Da ich keine Kinder von der Arbeit ausschließen wollte, musste ich mit 25 Schülern gleichzeitig mit Ton arbeiten. Dadurch war die individuelle Betreuung des Einzelnen nur unzureichend möglich.

Welche Freiräume braucht es?

Die Themenvorgabe sollte nur als Richtlinie erfolgen und man sollte nicht stur darauf beharren. Grundsätzlich habe ich gute Erfahrungen damit gemacht, die Umsetzung möglichst vieler Ideen zu ermöglichen. Dadurch erfahren die Schüler Zuspruch und sind mit Begeisterung beim Vorhaben.

Welche Projektformate haben sich bewährt und passen sich gut in den Schulalltag ein?

Aus Sicht der Arbeitsorganisation ist dies vorrangig die Arbeit mit ganzen, möglichst kleinen Schulklassen an Projekttagen, obwohl das für alle Beteiligten recht anstrengend ist. Da die Schüler den Stundenrhythmus und den Wechsel der Unterrichtsfächer gewöhnt sind, ist es sinnvoll, sich diesem Prinzip möglichst anzupassen – also entsprechend Pausen einzulegen und vielleicht abwechselnd zu zeichnen und zu modellieren.

Wie bereiten Sie Projekte vor und nach?

Das ist sehr unterschiedlich und hängt von vielen Faktoren ab: Zielstellung und Dauer des Projektes, Vorkenntnisse der Schüler, Unterstützung durch den Lehrer und vielleicht sogar helfende Hausmeister oder Eltern ... Als erstes findet die Absprache mit dem Lehrer statt, der bereit ist, zusätzliche Mühen auf sich zu nehmen. Dabei sollten möglichst alle Aspekte – Zielstellung, Vorkenntnisse, evtl. Vorbereitung im Unterricht, bei baubezogenen Arbeiten Vorbereitung durch den Hausmeister, Beschaffung und gegebenenfalls Vorbereitung des Materials, Zeitplan, Einteilung der Schülergruppen, Nacharbeiten – Berücksichtigung finden. Gute Vorbereitung sichert gute Ergebnisse und Erfolgserlebnisse für alle Beteiligten. Nahezu perfekt war zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Herrn Ludwig am Hundertwasser-Gymnasium in Wittenberg oder mit Frau Gräber an der Sekundarschule an der Weinstraße in Höhnstedt.

Wie gelingt es, dass sich Schüler*innen mit ihren Ideen in die Projekte einbringen können?

Ein weit gefasstes Thema lässt Raum für Phantasie und freie Ideen der Schüler.

Vorgaben können inspirierend sein, sollten aber Platz für Ausnahmen lassen. Die Beratung für technische und gestalterische Lösungen bei der Umsetzung der Ideen sollte diese möglichst wenig entfremden; so können sich die Schüler besonders mit ihren Arbeiten identifizieren. An einem möglichst breiten Spektrum an Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten lernen die Schüler optimal, auch an Ideen, deren Durchführbarkeit in diesem Rahmen vielleicht nicht möglich ist.

Inwieweit führt Sie die Projektarbeit mit Schule(n) an Ihre Grenzen?

Eine klare Grenze ist die Durchführung der Projekte bei großer Schülerzahl. Dadurch sinkt der Anteil an individueller Betreuung. Andererseits ist es die Emotionalität, dass man keinen ausschließen möchte, weil man allen eine Chance geben will. Das ist ein Konflikt, der nicht immer zu lösen ist.

In welchen Bereichen wünschen Sie sich mehr Unterstützung, spezifische Qualifizierung, Austausch oder Informationen?

Es wäre interessant zu erfahren, wie nachhaltig die Projekte für die Schüler sind, wir sehr sie davon für ihre künstlerische Arbeit und den Kunstunterricht profitieren oder wie sehr ihnen das vielleicht auch Mut gemacht hat, Kunst zu versuchen. Viele denken, Sie können keine Kunst, sie können nicht zeichnen. Das liegt oft daran, dass sie glauben, die Ziele nicht erreichen zu können oder dass man ihnen vielleicht gesagt hat, dass sie nicht zeichnen können oder dass sie nicht begabt sind. Eine ganze Reihe von Schülern bekommen durch die Projekte gezeigt, dass es doch möglich ist, etwas zu machen, zu einem Ergebnis zu kommen und etwas Individuelles herzustellen.

Welche Erwartungen haben Sie an das Projekt „Künstlerinnen und Künstler an Schulen in Sachsen-Anhalt“ in der Zukunft?

Wünschenswert wäre es, wenn Fahrtkosten angemessener honoriert würden und wenn Vor- und Nacharbeit, welche z. T. sehr umfassend ausfällt, gerade bei handwerklichen Arbeiten, auch in das Honorar einbezogen werden kann. Und vielleicht könnte sich daraus sogar eine Regelmäßigkeit entwickeln, dass man das nicht nur im Projektrahmen macht, sondern dass so etwas z. B. auch als Arbeitsgemeinschaft möglich wäre. Dies würde den Kunstunterricht an den Schulen sehr unterstützen.

Welche Erwartungen haben Sie an das Land Sachsen-Anhalt in Bezug auf das Projekt und die Bedeutung der Kulturellen Bildung?

Es wäre schön, wenn diese Projekte auch wirklich auf Nachhaltigkeit ausgerichtet werden, man z. B. auf die Projekte aufbauen könnte. Also wenn man Holzschnitte macht, dass man dann auch Bücher daraus macht. Oder wenn man viele kleine Keramiken herstellt, dass irgendwann vielleicht daraus Wandbilder entstehen könnten oder Gemeinschaftsskulpturen für den Schulhof. Dass man also sieht, wer was geschaffen hat, das man daraus auch etwas Bleibendes schafft. Abgesehen von den kleinen Objekten, die der/die Einzelne mit nach Hause nehmen kann, was natürlich schon eine bleibende Erinnerung darstellt. Will sagen: Dass es in den Schulen zu Ende gebracht und geschätzt wird. Dazu gehört sicher auch, dass Nacharbeit für Künstler finanziert wird. Wenn verschiedene Projektergebnisse da sind, ist nach Abschluss der Arbeit mit den Schülern für die Lehrer oft überhaupt keine Zeit oder Möglichkeit mehr gegeben, diese Projekte irgendwie in die Schule zu integrieren und daraus dann vielleicht ein Kunstobjekt herzustellen, was Nachhaltigkeit hätte. So bleibt es vielfach bei der Erfahrung, die den Schülern zuteilwird, aber es fehlt oft noch daran, dass das Objekt für immer Einzug in ihren Alltag hält.

Welche Rolle spielt die eigene pädagogische Praxis in Projekten mit externen Künstler*innen, d.h. geht sie zusammen mit dem, was man selbst im normalen Arbeitsalltag tagtäglich vermittelt oder stellt sie eher eine Ausnahmesituation dar?

Durch meine neue Tätigkeit [als Kunstlehrerin] kann ich diese Frage nunmehr auch von der anderen Seite aus beantworten. Ich glaube, dass die Projekte eher eine Ausnahmesituation darstellen. Das hängt natürlich sehr mit den Vorbereitungen zusammen. Praktische Arbeit mit Schülern führt einen immer wieder an Grenzen, außer man ist so unglaublich gut organisiert, dass man schon zwanzig Minuten vor dem Stundenklingeln zusammenräumen lässt, um Herr der Situation zu werden. Und dass man eben auch, trotz der Begeisterung der Schüler, abbricht und sagt „So, das war es jetzt. Schluss.“. Ich glaube, das gelingt Künstlern kaum – und mir daher auch nur ganz schwer.

Welche Rolle spielt das eigene künstlerische Schaffen in Projekten mit Schule(n), d.h. geht es zusammen mit dem, was man selbst im normalen Arbeitsalltag tagtäglich tut oder stellt es eher eine Ausnahmesituation dar?

Die Projektarbeit an den Schulen hat zwar mit dem Eigenen zu tun, ist aber insofern eine Ausnahmesituation, weil man den Schülern bestimmte handwerkliche Dinge vermittelt und dabei völlig auf sie eingehen muss, d.h. auf das, was sie sich vorstellen. Außerdem möchte man ihnen zu einem Lernprozess und einem Erfolgserlebnis verhelfen. Also ist man in dem Moment mehr Lehrender als künstlerisch Schaffender. Man hat aber nichtsdestotrotz diese Ergebnisorientierung, dass ein bestimmtes Produkt herauskommt, was künstlerisch wertvoll ist. Das denkt man immer mit und versucht, die Arbeiten auch dahingehend zu beeinflussen, ohne die Ideen der Schüler völlig verbiegen zu wollen. Das geht teilweise zusammen, aber in mancher Hinsicht ist und bleibt es eine totale Ausnahmesituation.