Interview Silke Trekel
„Ein Engel für die Arche Nebra“ - Arbeiten mit Draht, 2013, gefertigt von Schüler*innen aus Klassenstufe 4 der Grundschule Salzmünde. Foto: Trekel
Gesprächspartnerin:
Silke Trekel
Kleinplastik/Schmuck
Arbeitsort: Halle
Projekte: 21
Stunden: 358
Schulen: 3
Schultypen und Projektanzahl (in Klammern): Freie Grundschule (2), Grundschule (17), Schule des Zweiten Bildungsweges (2)
Teilnahmejahre: 17 (1999 – 2015)
Interviewtermin: 28.11.2017
Anmerkung: Die Interviewfragen wurde von der Künstlerin schriftlich beantwortet.
Wie entstand das Interesse an einer Zusammenarbeit mit Schulen?
Als Mitglied des BBK Sachsen-Anhalt habe ich über das Mitteilungsblatt des Berufsverbandes von diesem Programm erfahren. Das Programm „Künstlerinnen und Künstler an Schulen in Sachsen-Anhalt“ eröffnet nicht nur den Schulen die Möglichkeit, unterrichtsübergreifende Kunstprojekte anzubieten, sondern trägt gleichzeitig zur Einkommenssicherung der Künstler*innen bei. Da ich neben meiner künstlerischen Tätigkeit gern unterrichte, habe ich mich für die Teilnahme an diesem Programm entschieden.
Welchen Einfluss hatten bzw. haben die Bedingungen des Projektes „Künstlerinnen und Künstler an Schulen in Sachsen-Anhalt“ auf Ihre Entscheidung, sich um eine Teilnahme zu bewerben?
Die Antragstellung ist sowohl seitens der Schule als auch der Künstler*innen unkompliziert. Die Beantragung und Dokumentation der Projekte kann mit vertretbarem Aufwand durch die Künstler*innen geleistet werden.
In welchen Belangen haben sie von der Zusammenarbeit mit den Schule(n) für Ihre eigene künstlerische Arbeit profitiert?
Aufgrund der Vielzahl der durchgeführten Projekte verfüge ich über einen reichen Erfahrungsschatz, den ich inzwischen in externen Lehrveranstaltungen an der Universität Leipzig an Lehramtsstudierende der Grundschul- und Sonderpädagogik weitervermittle. Aufgrund der Durchführung verschiedenster Projekte an unterschiedlichen Schulen konnte ich meine didaktisch-methodischen Kompetenzen in der Lehre maßgeblich verbessern.
Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse bei der gemeinsamen Projektumsetzung?
Die Einbeziehung mehrtägiger Projekte in den regulären Lehrplan wird zunehmend schwieriger, da es weder genug freie Räumlichkeiten, noch für das Projekt zur Verfügung stehende pädagogische Mitarbeiter*innen/Lehrer*innen als auch ausreichend finanzielle Mittel für Arbeitsmaterialien gibt. Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass Eltern die Durchführung von Projekten parallel zum Unterricht nicht unterstützen, aus Angst ihre Kinder könnten Lehrstoff verpassen, da dieser eigenständig nachgeholt werden muss. Nun ist das in der Grundschule eine aus meiner Sicht unbegründete Angst, zumal viele der Projekte interdisziplinär gestaltet sind und die Schüler*innen auf anderen Ebenen ihr Wissen erweitern und vertiefen können.
Welche Freiräume braucht es?
Im Fokus der Projektarbeit steht ein spontanes Herangehen an Farben, Formen und einfache Konstruktionen – spielerisch, intuitiv, unmittelbar. Skizzen, Vorstudien, kleine Modelle unterstützten das Arbeiten und führen die Schüler*innen zu einem sie selbst oft überraschenden Endergebnis. Gerade im Hinblick auf den Erwerb manueller Kompetenzen, das Aneignen von Techniken und Vertiefen elementarer handwerklicher Fähigkeiten bedarf es der Übung. Kommt das Üben zu kurz, wirkt sich dies nachteilig auf das Lernziel aus. Ich erachte es daher als notwendig, dass für die Schulprojekte in Bezug auf ihre Durchführbarkeit entsprechend der Thematik mindestens 25 Stunden pro Projekt zur Verfügung stehen sollten. Außerdem ist das Arbeiten in kleineren Gruppen effektiver, da die Schüler*innen entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten individuell betreut werden können.
Welche Projektformate haben sich bewährt und passen sich gut in den Schulalltag ein?
In Absprache mit der Grundschule Salzmünde haben sich beispielsweise zwei aufeinander folgende Projekttage je Klassenstufe bewährt. Die zumeist fächerübergreifenden Projekte gliedern sich in 4–5 Unterrichtsstunden pro Tag mit maximal 12 Schüler*innen einer Klassenstufe. Im Mittelpunkt dieser Projekte steht stets die Vermittlung einer künstlerischen Technik in Verbindung mit einem aktuellen Thema, wie beispielsweise die reliefhafte Gestaltung der Lutherrose anlässlich des 500jährigen Reformationsjubiläums im vergangenen Jahr.
Wie bereiten Sie Projekte vor und nach?
Die Projektvor- und -nachbereitung umfasst etwa 4–5 Unterrichtsstunden, die ich bislang in meinen Abrechnungen nicht berücksichtigt habe. Stattdessen nutzte ich die komplette Stundenzahl stets zugunsten der Schüler*innen für die Durchführung des jeweiligen Projektes. Dies ist aber auf Dauer für mich nicht realisierbar, daher wäre eine Aufstockung der Stundenzahl wünschenswert.
Zur Vorbereitung des Projektes gehören ein Einführungsvortrag zur inhaltlichen Thematik und das Vorstellen der zu erlernenden Technik in Form einer PowerPoint-Präsentation. Bildbeispiele und Filmsequenzen machen die Arbeitsprozesse transparent und geben den Schüler*innen einen Ausblick auf die zu erwartenden Projektschritte. Die Erarbeitung eines Quiz zur spielerischen Wissensabfrage, die Erstellung von Formblättern als auch die Material- und Werkzeugbereitstellung sind ebenfalls Bestandteil der Vorbereitung.
Die Nachbereitung umfasst die Erstellung einer Dokumentationsmappe mit einem Sachbericht, der Angaben zur beteiligten Schule, der Anzahl der teilnehmenden Schüler*innen, Aussagen zum künstlerischen Inhalt und aussagefähige Fotos enthält.
Wie gelingt es, dass sich Schüler*innen mit ihren Ideen in die Projekte einbringen können?
Ich konzentriere mich in meinen Projekten auf praxisnahe Materialexperimente, in denen es darum geht, ein Gefühl für die verschiedensten Werkstoffe und möglichen Techniken zu bekommen. Die Schüler*innen sollen sich ausprobieren, ihre kreativen Möglichkeiten ausloten und Ideen mitunter auch wieder verwerfen. Fehlschläge und Enttäuschungen gehören in diesem Kontext ebenso zum schöpferischen Prozess wie die Freude und das sinnliche Erleben. Erfahrungen zu sammeln ist wichtig, gerade im Hinblick auf das Aneignen handwerklicher Techniken. Es gibt keine Noten.
Durch mein handlungsorientiertes Vorgehen versuche ich die Schüler*innen zu motivieren, selber aktiv zu werden und sich mit den Projektinhalten stärker auseinanderzusetzen. Jede/r kann sich entsprechend seinen Neigungen entfalten solange die Projektidee erkennbar bleibt. Diese Form des entdeckenden Lernens verstehe ich auch als Gegengewicht zu theoretischen Lehrinhalten. Eine öffentliche Ausschreibung, wie beispielsweise der gleichnamige Wettbewerb „Ein Engel für die Arche Nebra“, kann die Schüler*innen beflügeln und sie zu außergewöhnlichen Leistungen anspornen. Wenn dann die entstandenen künstlerischen Arbeiten noch mit einem Preis belohnt und öffentlich in einer Ausstellung gezeigt werden, ist das eine schöne Erfahrung für alle Beteiligten.
Welche Erwartungen haben Sie an das Land Sachsen-Anhalt in Bezug auf das Projekt und die Bedeutung der Kulturellen Bildung?
Die im Rahmen des Programms „Künstlerinnen und Künstler an Schulen an Sachsen-Anhalt“ durchgeführten Projekte werden von den Schüler*innen ausnahmslos positiv aufgenommen und die Aufgaben phantasievoll und konzentriert umgesetzt. Überdies ist es für mich interessant zu sehen, dass es durchaus Unterschiede zwischen den Klassenstufen 3 und 4 in Bezug auf die Aneignung der manuellen technikbezogenen Kompetenzen gibt, die entwicklungsphysiologische Rückschlüsse zulassen. Fast alle Schüler*innen haben bereits im Vorschulalter gefaltet, geknetet, gebaut und somit erste räumliche Erfahrungen gesammelt, die durch die künstlerischen Projekte fortgeführt werden. Die Arbeitsergebnisse haben jedoch gezeigt, dass die dreidimensionale Vorstellungskraft der Schüler*innen unterschiedlich ausgeprägt ist, was sich natürlich auch auf andere Fächer wie beispielsweise Geometrie, Sachkunde und Werken auswirkt, wo räumliches Denken gefragt ist. So ist zum Beispiel die Technik des Metalldrückens gut geeignet, um das reliefhafte Gestalten mit Positiv- und Negativformen zu üben und auf diese Weise das räumliche Vorstellungsvermögen der Schüler*innen zu fördern. Die in den Projekten angebotenen experimentellen Techniken sind folglich eine gute Ergänzung sowohl zum Kunstunterricht als auch zu anderen Fächern. Sie ermutigen die Schüler*innen zu unkonventionellen Herangehensweisen, bestärken sie in ihren Fähigkeiten und fördern das eigenverantwortliche kooperative Arbeiten. Die enge Verknüpfung von Theorie und Praxis zeichnet diese anwendungsorientierten Projekte aus, die aus meiner Sicht unbedingt fortgeführt und in der Stundenzahl erhöht werden sollten.