Interview Ganztagsschule Zoberberg Dessau – Gemeinschaftsschule

Schülerarbeit im Foyer der Schule, entstanden circa 2003. Foto: Kümmel

Gesprächspartnerin:

Carola Weise
Diplomlehrerin für Mathematik/Kunst

Ganztagsschule Zoberberg Dessau – Gemeinschaftsschule
www.sks-zoberberg.bildung-lsa.de

Projekte: 7
Künstler*innen: 3
Stunden: 127
Teilnahmejahre: 7 (1996, 2000, 2002, 2012 – 2015)

Interviewtermin: 22.11.2017

Wie entstand das Interesse an einer Zusammenarbeit mit externen Künstler*innen?

Erst einmal habe ich ein ständiges Interesse an der Zusammenarbeit mit Künstlern. Egal wie, wo und wann: Es ist immer etwas Neues oder etwas Aktuelles, was man einfließen lassen kann in den Unterricht. Ich bin froh, dass [das Fach] Kunst da ziemlich offen ist, sich zwar an eine rote Linie hält, wir das aber immer wieder neu interpretieren können. Unsere eigene Kreativität kommt dabei stets zum Tragen und wenn man da die Künstler mit an der Seite hat, ist das schon toll. Der offizielle Anlass war 1996 die Veröffentlichung der Ausschreibung in Verfügungen und Mitteilungen. Meine damalige Chefin hat mich im Grunde genommen gebeten „Schau‘ Dir das mal an und dann besorg‘ Dir mal die Künstlerinnen“. Genau so ist das eigentlich entstanden.

Welchen Einfluss hatten bzw. haben die Bedingungen des Projektes „Künstlerinnen und Künstler an Schulen in Sachsen-Anhalt“ auf Ihre Entscheidung, sich um eine Teilnahme zu bewerben?

Die Bedingungen des Projektes sind eigentlich recht allgemein und einfach gehalten. Ich arbeite damit und sie schränken mich nicht ein. Man kann das immer wieder wunderbar umsetzen. Egal, welche Bedingungen oder welches Thema: Kunst ist sehr offen und frei, so dass man immer eine Lösung findet.

In welchen Belangen haben sie von der Zusammenarbeit mit externen Künstler*innen für Ihre eigene pädagogische Arbeit profitiert?

In allen Belangen: Ideen, Materialverarbeitung, Gestaltungsideen – gerade mit Materialien. Was man mit ihnen macht, wie man mit ihnen umgeht, wie ausdauernd das gemacht werden kann und wie immer wieder neue Richtungen mit hineinkommen. Es ist sehr schön, dass man alles nutzen kann und keinen Beschränkungen unterliegt.

Wie hat die Zusammenarbeit mit externen Künstler*innen Ihren Schulalltag beeinflusst und verändert?

Der Schulalltag ist durch die Zusammenarbeit mit den Künstler*ìnnen offener, lockerer, kreativer geworden – im Umgang mit den Materialien als auch mit den Schülern. Zu begreifen, dass – typisch Lehrer – alle zwar zu einem Ziel gelangen sollen, dem aber nicht unbedingt so sein muss. Oben über meiner Tafel steht ja, auf was ich für die Stundennote Wert lege. Ich sage immer: Ich mache hier kein Kunststudium. Ich will eigentlich nur, dass ihr ausdauernd, sauber und konzentriert bis zum Schluss durchhaltet. Diejenigen, die mehr begabt sind, die bekommen eben eine Extraförderung und bei den anderen freue ich mich, wenn sie ihr Ziel erreichen, ohne dass sie zwischenzeitlich abgleiten. Hierbei hat mich die Arbeit mit Künstler*innen wirklich stets bereichert. Wenn ich da an Katrin [Zickler] denke, wie die in Materialien weitergearbeitet hat, die ich anfangs für vollkommen unwichtig hielt und wo sie dann etwas Besonderes daraus gemacht hat … Das ist für mich dann immer wieder ein Highlight: Toll, muss ich auch einmal probieren. Ich bekomme das zwar nie so hin wie sie, aber es ist ein Aha-Effekt, dass es auch anders geht bzw. gemacht werden kann. Gerade in dieser Beziehung empfinde ich es als wunderbar, dass ich die Künstler*innen an der Seite habe.

Wie haben sich die Möglichkeiten mit der Zeit, mit wachsender Erfahrung bzw. mit zunehmender Dauer der Kooperation verschoben oder erweitert?
Wie bereiten Sie Projekte vor und nach?

Für mich sind zu allen Künstler*innen freundschaftliche Beziehungen entstanden. Durch die Zusammenarbeit lernt man sich näher kennen und weiß dann z. B. schon, wie Katrin [Zickler] tickt und worauf sie Wert legt und sie weiß das bei mir ebenso. Wir nehmen uns Arbeit ab. Sie macht das Eine, ich das Andere. Das funktioniert super miteinander und ist für mich das Positive. Auch die Rückmeldung untereinander. Wir sprechen alles vorher ab, wir werten aus – kurz nach dem Projekt, also am Tag selber, wir planen den nächsten Tag ggf. noch mal neu. Wir gehen dabei stets auf das Erreichte ein – das, was wir gerade haben, um es dann weiter voranzutreiben.

Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Hindernisse bei der gemeinsamen Projektumsetzung?

Das größte Hindernis bei der Umsetzung der Projekte ist das Geld für Materialien. Dies stellt ja nicht der BBK zur Verfügung, sondern hier muss die Schule schauen. Da wird es immer kritischer. Wir hatten am Anfang noch relativ große Unterstützung, da hatten wir sogar Sponsoren, aber die sind mit der Zeit dann auch abgesprungen. Irgendwie wurde es immer weniger. Ich lebe quasi von den Reserven und was ich an Reserven habe, dass gebe ich dann teilweise auch noch Katrin [Zickler], dass sie damit weiterarbeiten kann. Jetzt, wo ich mit dem Bauhaus [den Bauhaus Agenten] zusammenarbeite, hat sich die Situation etwas verbessert. Leider nehmen sie oft Materialien wieder mit. Wie gesagt, das ist ein echtes Problem. Da weiß ich nicht, wie man das in Zukunft lösen kann. Ich bin nicht der Typ, der irgendwo klappern gehen kann. Ich habe auch gar nicht die Zeit dazu. Hier bräuchte man Leute, die das vielleicht mit organisieren.

Welche Freiräume braucht es?
Welche Projektformate haben sich bewährt und passen sich gut in den Schulalltag ein?

Freiräume beziehe ich erst einmal auf Räumlichkeiten, Zeit für Projekte, Offenheit und Lockerheit im Kollegium. Da besteht ein ganz großes Problem. Bei uns an der Schule sind aktuell einige Projekte gestoppt worden, weil angeblich zu viele Projekte gemacht werden. Kunst ist ja nun ein Fach, das für viele überhaupt keine Rolle spielt. In den 1990er Jahren und um die Jahrtausendwende herum habe ich zum Ende des Schuljahres eine Woche frei bekommen, um mit Schülern der neunten Klassen intensiv zu arbeiten. Das macht Katrin Zickler noch so in Apolda, aber bei uns klappt das nicht mehr. Im Profil unserer Schule ist ein wichtiger Schwerpunkt die Berufsorientierung. Die Schule ist zudem inzwischen ausgestaltet und man hängt selbst an vielen Sachen. Kolleg*innen sind zudem nicht immer offen. Wenn es am Schuljahresende ist: Ok. Aber Projekte während des Schuljahres: Schrecklich. […] Die Erfahrung bestätigt uns: Bei „verkleckerten“ Einzelterminen kommt nicht so viel raus. Besser ist es, wenn man eine Woche intensiv mit Schülern arbeitet. Bei Einzelterminen sind die Schüler oft schon am Ende und die Luft ist quasi raus. Wenn sie einen Schultag hinter sich haben, dann ist da nichts mehr.

Wie gelingt es, dass sich Schüler*innen mit ihren Ideen in die Projekte einbringen können?

Wir binden die Schüler grundsätzlich mit ein, d.h. wir stellen das Projekt vor und sammeln Ideen – wie bei einem Brainstorming. Die Schüler haben oft Ideen und Katrin [Zickler] geht, will ich mal sagen, eher drauf ein. Sie ist da sogar noch lockerer als ich. Wir probieren alles aus und was sich am besten macht, das ziehen wir dann durch. Wir drucken z. B. sehr oft Mehrfarbendrucke. Es wird ganz viel experimentiert und manche sehen erst beim Arbeiten, wie es dann wird. Gemeinsame Absprachen mit den Schülern zur Idee, zum Material, zur Bearbeitung, zur Geschichte usw. fallen zumeist immer ein bisschen hinten runter, weil die Zeit dafür oft gar nicht mehr da ist. Wir nutzen wirklich die [Projektarbeits-]Zeit bis zur letzten Minute.

Um noch einmal auf die Frage der Vor- und Nachbereitung zurückzukommen: Wir reden grundsätzlich mit den Kindern. Jeder Tag wird ausgewertet und die Ergebnisse für den nächsten Tag genutzt.

Inwieweit führt Sie die Projektarbeit mit externen Künstler*innen an Ihre Grenzen?

Katrin [Zickler] ist in dieser Beziehung voll in die Projektarbeit einbezogen und engagiert sich, wohingegen ich eher der ruhige Part bin. Es kommt aber auf die Situation an. Ich habe auch schon oft an meinen Grenzen gestanden, weil der Schulalltag meine ganze Kraft fordert. Aber ich weiß, wenn sie dabei ist, kann eigentlich nichts schief gehen. Für mich ist das wie eine Sicherheit. Sie bringt sich ganz aktiv ein, strapaziert sich auch und ist dann richtig groggy. Sie sagt: Lehrerin könnte sie überhaupt nicht werden, das wäre ihr viel zu anstrengend … weil sie merkt, wieviel Kraft sie für die Projekte braucht. Sie bereitet jedes der Projekte perfekt vor und wertet sie auch entsprechend aus – voll involviert und in keiner Weise oberflächlich. Das war bei den anderen Künstler*innen, mit denen ich bisher zusammengearbeitet habe, nicht viel anders. Das mit ihr ist jedoch speziell, wir ergänzen uns sehr gut und arbeiten gern miteinander. Außerdem müssen wir uns langfristig absprechen, damit sie die Projektvorhaben einplanen kann und z. B. nicht gerade eine Ausstellungseröffnung ansteht.

In welchen Bereichen wünschen Sie sich mehr Unterstützung, spezifische Qualifizierung, Austausch oder Informationen?

An Qualifizierung denke ich eher nicht, vielmehr an Unterstützung beim Organisieren von Geldern.

Welche Erwartungen haben Sie an das Projekt „Künstlerinnen und Künstler an Schulen in Sachsen-Anhalt“ in der Zukunft?

Ich würde mich freuen, wenn es weiterginge. Für mich ist allerdings die Nachbereitung, d.h. der Auswertungsaufwand für die Projekte, der schriftliche Kram, eine zusätzliche Belastung. Wir haben [als Lehrer] so schon mit genügend Bürokram zu tun […] Das ist für viele Kollegen ein Grund, ein solches Projekt nicht mitzumachen. Man weiß einfach nicht, wie man das noch unterbringen soll. […] Ich weiß nicht, ob in manchen Bereichen Aufwand und Nutzen im rechten Verhältnis stehen. Wenn man die Abrechnung nur mit Fotografien und kurz gehaltenen Stichpunkten erledigen könnte, wäre das vielleicht nutzbringender. Ich weiß nicht, wer die ganzen Projektdokumentationen durchstudiert. Unsere umfassten manches Mal drei bis vier Seiten Text. Das ist eine echte Anstrengung, um das noch nebenbei zu machen. Durch den regulären Zeitaufwand des Schulalltags habe ich es manches Mal sogar verpasst, mich für ein Projekt zu bewerben.

Welche Rolle spielt die eigene pädagogische Praxis in Projekten mit externen Künstler*innen, d.h. geht sie zusammen mit dem, was man selbst im normalen Arbeitsalltag tagtäglich vermittelt oder stellt sie eher eine Ausnahmesituation dar?

Früher war es ein bisschen leichter, die Projekte zu bekommen. Heute wird es immer schwieriger, weil der Unterrichtsstoff von den Kollegen vermittelt werden muss – insbesondere in Klassenstufe 9 und 10. Dort geht es zumeist schon in Richtung Prüfung und es sollte kein Unterricht ausfallen. Außerdem stehen feste Klassenarbeiten an, die geschrieben werden müssen und die dann wieder verzögert werden, da wir A- und B-Woche haben. Und dann liegen teilweise ganz lange Ausfallzeiten dazwischen. Da wird dann lieber ein Projekt storniert, als das man Kernfächer wie z. B. Mathe ausfallen lässt, da dies ja Prüfungsfächer sind.